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Tischlerin Mone Wolf (31) und Tochter Lotta (5) lieben das Leben in ihrem ungewöhnlichen Heim, auch wenn es im Winter manchmal hart ist.
Der Schnee knirscht unter den Füßen, eine Kohlmeise fliegt vorbei, es ist still. Und in der Stille steht ein Bauwagen. Genau betrachtet sind es zwei. Verbunden mit einem Anbau und mit Hecken und
Sträuchern drumherum: es ist das Zuhause von Mone (31) und Lotta (5) Wolf. Lebe lieber ungewöhnlich, könnte über ihrer Tür stehen.
Und eine gewöhnliche Haustür ist das auch nicht. Eher das Element einer alten Terrassentür. Und so ist hier alles in und um ihren Wagen herum einen zweiten Blick wert. Mone Wolf versteht es, Dinge zu recyceln: es gibt runde Fenster aus Waschmaschinentüren, Wände aus Holzresten und eine badetaugliche Wanne im Garten.
Seit zweieinhalb Jahren wohnt die selbstständige Tischlerin in der Wagenburg am Niemarker Weg (siehe unten): Rund 40 Quadratmeter bewohnen die beiden und kommen ohne fließendes Wasser, ohne Zentralheizung und ohne Bad aus. Toilette und Dusche befinden sich im Badehaus auf dem Gelände, das die Bewohner von der Stadt gepachtet haben. Manchmal füllt Wolf aber auch die freistehende Badewanne im Garten und heizt das Wasser mit einem Feuer darunter ein. „Dann liege ich lange da und schaue mir den Sternenhimmel an“, sagt sie lächelnd und stellt Milchkaffee auf den kleinen Tisch.
Leidenschaft: Geheimschatullen
Ihr Küchenwagen ist gleichzeitig Näh-, Ess- und Arbeitszimmer, und gleichsam ist er mit Büchern, Geschirr und Holzarbeiten gefüllt. Aber alles hat seinen Platz, ist aufgeräumt — ohne penibel zu sein.
So auch im Anbau mit Spielecke und im Schlafwagen. Dort sitzt Lotta in ihrem Hochbett und sagt stolz: „Hat Mama gebaut.“ Der Herausfallschutz ist aus Ästen gestaltet, und zum Spielen gibt es eine integrierte Murmelbahn. Beheizt werden die Räume ohne Türen von einem Ofen, und wenn das Thermometer nachts merklich fällt, dann ist das Leben auch mal weniger cool. Eher kühl. Aber: „Es kann auch eine wertvolle Erfahrung sein, dass das Wasser nicht einfach aus dem Hahn kommt und dass ich Ofenholz selbst hacken muss.“
Während sie Holzscheite nachlegt, schnurren zwei Katzen um ihre Beine, und eine Blaumeise singt direkt vorm Fenster. Ein „Leben näher am Ursprung“ nennt die 31-Jährige das alles und hat gleichzeitig Existenzsorgen, wie jede andere alleinerziehende Mutter wohl auch. „Mein Traum ist, dass ich von meiner Arbeit leben kann“, sagt Wolf, die den Absprung vom Arbeitslosengeld „so gut wie geschafft“
hat. „Immer wenn die Kleine schläft oder in der Kita ist, bin ich am Wirbeln“, meint die Tischlerin, deren Leidenschaft ihre Geheimschatullen sind: kleine, verschachtelte Kisten mit mehr oder weniger versteckten Fächern, Klappen oder Schubladen. Gedacht für Schmuck, Liebesbriefe, Milchzähne, Überraschungen und alles, was einem lieb und teuer ist.
Größte Künstlerin: die Natur
So wie sich Mone Wolf nicht in eine Form, eine Norm pressen lassen möchte, gefallen der Kreativen auch ursprüngliche, alte Hölzer am besten. Die mit einer Patina, einer besonderen Struktur oder Form.
„Hölzer, die eine Seele haben“, erklärt sie, „die etwas erlebt haben: Schiffsplanken, Fachwerkstücke, Treibholz.“ Mal sucht sie danach, mal entdeckt sie sie einfach, und immer ist sie fasziniert von dem Material. „Die Natur ist die größte Künstlerin überhaupt.“
Als Lotta noch nicht auf der Welt war, hat Wolf viele Kunsthandwerker- und andere Märkte besucht. Inzwischen bleibt sie lieber am Ort und hat sich einen Werkstattwagen aufgestellt. Wenn Lotta im Kindergarten ist, macht sie dort den Ofen an und setzt ihre Ideen in die Tat um. Im Winter bleibt sie auch in der Küche, wo sie zusätzlich Mützen und Handpuppen näht. Zur besseren Vermarktung hat sich Wolf im vergangenen Jahr eine Internetseite eingerichtet und freut sich über den steigenden Erfolg. „Es gibt zum Glück viele Leute, die meine Geheimschatullen mögen und die Handarbeit schätzen.“
Auf Wunsch nimmt sie auch Aufträge entgegen. „Obwohl ich ein Freigeist bin und mich noch lieber von Fundstücken inspirieren lasse.“
Während sich draußen der Himmel winterabendrot färbt, holt Lotta ein paar Karotten aus der Küche. „Kaninchen füttern“, sagt sie und geht in den Garten. Eingeschneite Schaukelstühle ruhen neben der Terrasse, auf der die Kleine eine eigene Kinderküche hat. Als ein Nachbarkind zum Spielen ruft, fragt sie Mama und flitzt lachend durch den Schnee davon. Und Mone Wolf lächelt: „Hier zu leben, das bedeutet für mich: Freiheit.“